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Abiturfeier 2008

Rede des Schulleiters zum Abitur 2008 20.06.2008

Nach der Begrüßung:
Seit vielen Jahren habe ich nun die dankbare Aufgabe, anlässlich der Entlassfeiern der Schülerinnen und Schüler des zehnten Jahrgangs und der Abiturientia eine Rede zu halten. Dass mir dabei die Themen nicht ausgehen, verdanke ich unter anderem der Kreativität der Schülerinnen und Schüler. So hat mir das diesjährige Motto des Abistreichs als Vorlage gedient. „Abi on stage“ stand da unter anderem auf den T-Shirts der Abiturientinnen und Abiturienten zu lesen. „On stage“ – besser hätte man es kaum formulieren können, denn soweit ich mich erinnern kann, hat noch nie zuvor ein Abitur in Nordrhein-Westfalen so sehr die Aufmerksamkeit der breiten Öffentlichkeit auf sich gezogen. Es lohnt sich, allein einige Schlagzeilen in der Rheinischen Post zu diesem Thema aufzuführen:

12.04.08 - Druckfehler in zwei Prüfungstexten - Wieder Pannen beim Zentralabi
18.04.08 - NRW-FDP fordert Abitur wie in Bayern
18.04.08 - NRW-Abi aufwerten
20.04.08 - Fach Biologie - Schon wieder Pannen beim Zentral-Abitur
24.04.08 - NRW-Schüler klagen: Mathe-Abi zu schwierig
30.04.08 -  Schüler sacken beim Abi 2008 dramatisch ab
01.05.08 - Langsam kehrt Normalität ein dachte ich, doch dann kam der
09.06.08 - Dienstag, 17.06. Erneuter Klausurtermin in Mathematik!!
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Was wird beim Blick auf diese und andere Überschriften deutlich?

  • Auch bei noch so sorgfältiger Prüfung unterlaufen Fehler; hier ist das Zentralabitur nicht besser als sein Vorgänger. Dabei will ich von den technischen Problemen, die der Download der Prüfungsaufgaben und das anschließende Kopieren bedeuten, gar nicht sprechen.
  • Einigen Gruppierungen in Nordrhein-Westfalen wird das jeweils erreichte Niveau wohl nie genügen.
  • Wenn in diesem Jahr in einigen Fächern landesweit unerwartete Noteneinbrüche passiert sind, dann ist hier die Schuld nicht bei den Schülerinnen und Schülern zu suchen, sondern dann muss das Verfahren zum Entwurf der Prüfungsaufgaben kritisch geprüft werden.

Die Überschrift vom ersten Mai „Langsam kehrt Normalität ein“ war aber zu voreilig formuliert, denn rund um die Klausuren im Fach Mathematik gab es noch eine Reihe von Vorkommnissen, die die Bezeichnung „Normalität“ nun wirklich nicht verdienen. Ich will die Ereignisse nicht im Einzelnen noch einmal aufrollen. Es erscheint mir aber notwendig, hinsichtlich mehrerer Artikel in den lokalen Zeitungen aus Sicht unserer Schule
ein paar Bemerkungen anzubringen: Wie hier die Leiterinnen und Leiter einiger Gymnasien versucht haben, deutlich zu machen, dass an ihren Schulen alles in Ordnung sei, dass man an der eigenen Schule keine Probleme mit dem Mathematikabitur gehabt habe, dass schließlich und endlich, so musste man am Samstag, den 14.06. lesen, letztendlich wieder die Gesamtschulen an allem Schuld seien, das kann und darf so nicht  unkommentiert bleiben. Hier wird als wahr verkauft, was einer genauen Prüfung nicht standhält und dies können wir mit Fug und Recht behaupten, denn in einem Fall haben unsere Kollegen z. B. die Zweitkorrektur für eines der betroffenen Gymnasien übernommen und konnten somit belegen, dass die Aussagen des Schulleiters nicht zutrafen. So sind also auch zahlreiche Gymnasiasten am Oktaeder gescheitert, wir haben es gesehen. Warum will man dann die Gesamtschulen an den Pranger stellen?

Doch kommen wir ganz konkret zur ALG zurück:
In diesem – wie auch schon im Vorjahr – haben die Schülerinnen und Schüler unserer Schule gute Leistungen erbracht, die auch einer externen Überprüfung standhielten. Dazu muss man wissen, dass in diesem Jahr  mit wenigen Ausnahmen das Gros der Klausuren zur Zweitkorrektur nach Jülich zum Gymnasium Haus Overbach ging. In keinem Fall war eine Drittkorrektur notwendig und in nahezu allen Fällen wurden die von unseren  Kolleginnen und Kollegen vergebenen Noten durch die Kolleginnen und Kollegen des Gymnasiums bestätigt. Übrigens, sehen wir einmal vom landesweiten Problem Mathematik ab, gab es in diesem Jahr an  unserer Schule weitaus weniger Abweichprüfungen als in den Jahren zuvor.
Da wir selbst ebenfalls Klausuren eines Gymnasiums zur Zweitkorrektur erhielten, konnten wir darüber hinaus feststellen, dass die Leistungen unserer Prüflinge denen anderer Schüler nicht nachstanden. Sie können  vor diesem Hintergrund mit berechtigtem Stolz auf ihre Leistungen blicken. Dies ist auch die Stelle, meinem Kollegium zu danken. Korrekturen, Zweitkorrekturen und die Vorbereitung und Durchführung mündlicher  Prüfungen haben viele bis an die Grenze belastet, zumal die Zentrale Prüfung in Klasse 10 und die Lernstandserhebung in Klasse 8 ebenfalls in diese Zeit fielen. Ihnen allen sei für ihre Arbeit und ihr Engagement gedankt.
Ein besonderer Dank gilt den beiden Tutorinnen, Frau Jessen-Robertz und Frau Tischer, die „backstage“ (um in der Terminologie zu bleiben) die Fäden in der Hand hielten und schließlich dem Regisseur des Ganzen,  Guido Beisner. Damit wäre ein Aspekt des „Abi on stage“ angesprochen. Ein anderer scheint mir persönlich aber ebenso wichtig:
Der Abistreich erinnerte – sicher nicht zufällig – an eine Castingshow, wie sie seit einigen Jahren zum festen Bestandteil der Fernsehunterhaltung gehört. Während bei diesen Shows die „Performance“ beurteilt wird oder sich die angehenden Modells auffordern lassen müssen „mehr Drama, Baby“, wurde in diesem Jahr erstmalig ihr Arbeits- und Sozialverhalten beurteilt und auch auf dem Abiturzeugnis ausgewiesen. Während es nun  relativ leicht ist, zu beurteilen, ob ein angehender Jungstar den Ton treffen oder halten kann und ob seine Tanzschritte zur Musik passen, ist es ungleich schwieriger, aus einer normalen Unterrichtssituation heraus zu  Fragen wie

  • Übernahme von persönlicher Verantwortung, auch bei Misserfolgen
  • Fähigkeit zur Trennung zwischen Person und Sache
  • Förderung eines positiven Gruppenklimas

(um nur einige Aspekte zu nennen) eine Meinung zu bilden und diese dann in einer Note auszudrücken. Ob daher die Noten in jedem einzelnen Fall das widerspiegeln, was die konkrete Person einer Schülerin oder eines Schüler ausmacht, das sei dahingestellt. Entscheidender für mich ist, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer dieser Schule die Aufgabe nicht leicht gemacht haben, dass vielmehr um jede einzelne Note gerungen wurde und dass versucht wurde, jedem einzelnen von Ihnen gerecht zu werden. Damit wird dann auch ein entscheidender Unterschied zwischen Ihnen hier an der ALG und den Akteuren bei Castingshows deutlich:
Dort geht es ausschließlich um Selektion, denn schließlich kann nur einer der Superstar werden, nur eine ist Deutschlands nächstes Topmodell. Der Druck, der dabei auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ausgeübt  wird, ist immens. Das System Schule - und hier eben auch in besonderer Weise unsere Schule - setzt dagegen auf die individuelle Förderung jedes einzelnen, damit jede und jeder das in Ihrem/Seinem Rahmen  mögliche optimale Ergebnis erreichen kann. Es zeichnet unsere Schule aus, in welcher Weise die Tutorenteams die Ihnen anvertrauten Schülerinnen und Schüler betreuen. Ziel dieser Betreuung ist es bzw. war es, sie  mehr und mehr in die Selbständigkeit zu führen. Der Kriterienkatalog für die Kopfnoten nennt hier folgende Aspekte:

  • Planung und Umsetzung eigener Arbeitsschritte
  • Selbständige Bearbeitung übertragener Aufgaben
  • Ergebnisorientiertes Arbeiten
  • Eigenständiges Beschaffen von Informationen
  • Selbstkorrektur

Jede und jeder von Ihnen wird selbst am besten beurteilen können, in wie weit Sie heute, am Tag Ihrer Schulentlassung diesen Zielen nahe gekommen sind. Ich wünsche Ihnen an dieser Stelle, dass Sie mutig und kraftvoll auf dem Weg voranschreiten, der Sie befähigt, Ihr Leben selbstverantwortlich zu gestalten. Übernehmen Sie Verantwortung im privaten wie im beruflichen Bereich. Abschließend komme ich noch einmal auf das erste Stück unserer Schülerband zurück. Im Refrain heißt es frei übersetzt: „Ich gehe mit, wo immer du hin gehen wirst.“. Das … können wir leider nicht. Sie müssen ab heute Ihre eigenen Wege gehen. Aber wir hoffen, dass Sie ein Stück unserer Schule für Ihr Leben mitnehmen und, wann immer Sie wollen, hierher zurückkehren. Lassen Sie uns wissen, was aus Ihnen wird.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien alles Gute für die Zukunft!